Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.
jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?
Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.
Die NPD ist nun nicht verboten worden. Richtige Entscheidung?
Bin kein Jurist, aber aus meiner Sicht: Klares Nein.
Aber …
Nun bitte nicht die Leier, dass es bei einem Verbot keinen Nazi weniger geben würde und sich diese Typen dann schnell woanders zusammenrotten.
Ist doch so.
Klar ist das so. Aber darum geht es doch gar nicht.
Sondern?
Muss ich das wirklich hier beantworten? Also: Es geht schlicht und einfach darum, den Weg zu öffentlichen Mitteln, zu Steuergeldern zu verbauen. Sobald ein Nazi in ein Parlament – ob in der Kommune, im Land oder im Bund – einzieht, kassiert der ab und seine Partei kriegt Wahlkampfkosten erstattet, Fraktionsräume gestellt und was weiß ich. Und sie glauben doch nicht, dass die die Kohle nur für Druckerpapier ausgeben.
Ja schon, aber in einem demokratischen Staat darf doch jeder …
Mitspielen, auch wenn er die Regeln nicht akzeptiert? Genau darum geht es. Stellen sie sich vor, Bayern München spielt ein Freundschaftsspiel gegen, na sagen wir mal, den FC Paderborn und nach kurzer Zeit fangen die Paderborner an, Spieler um zu treten, den Ball mit der Hand zu spielen und alles nieder zu rennen. Der Schiedsrichter reagiert nicht und ein Großteil des Publikums findet das toll und grölt für Paderborn.
Schönes Freundschaftsspiel. Und ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, oder?
Im Sport vielleicht, in der Politik scheint das aber zu funktionieren. Da dürfen Typen ein Spiel mitspielen, die ganz klar durchblicken lassen, dass sie die Regeln nicht akzeptieren und im Fall ihres Sieges das Spiel sofort abschaffen würden.
Nun nimmt das Verfassungsgericht aber an, dass sie das Spiel sowieso nicht gewinnen können.
Können sie zurzeit nicht, klar. Aber was ist mit dieser AfD?
Die wollen sie auch verbieten?
Mich fragt ja ernsthaft keiner. Aber vielleicht ist Verbieten wirklich nicht der richtige Weg. Eine Partei ist schnell gegründet und die Verfassungsrichter haben wohl auch noch etwas anderes zu tun, als sich den ganzen Tag mit Parteiverboten zu befassen. Aber die Latte, um am Spiel teilzunehmen, muss höher gehängt werden.
Was heißt das?
Das heißt ganz schlicht, dass die demokratischen Parteien sich auf einen verbindlichen Kodex verständigen, nach dem Parteien sofort von Wahlen ausgeschlossen werden, wenn sie demokratische Grundprinzipien nicht einhalten, Naziverbrechen verharmlosen, andere diskriminieren etc. Auch wenn nur einzelne Parteimitglieder – wie jetzt dieser Höcke – das tun und nicht sofort zurückgepfiffen werden.
Und wer soll das kontrollieren? Etwa die Parteien selbst?
Die Parteien sind Mitbewerber und damit wohl nicht die richtige Instanz. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Parteien sowieso zu viel Macht in diesem Staat verschafft haben. Ist aber ein anderes Thema.
Also doch das Bundesverfassungsgericht.
Vielleicht müsste es ein Gremium aus zum Teil gewählten, zum Teil bestimmten und vielleicht zum Teil auch zugelosten Personen geben, die diesen Job übernehmen.
Sowas wie Demokratiewächter also?
Das klingt mir zu stark nach Religionswächter. Aber in die Richtung geht es. Vielleicht ist die parlamentarische Demokratie, wie wir sie jetzt noch haben, nicht das Ende der Fahnenstange. Vielleicht gibt es eine Gesellschaftsform, die uns glücklicher macht. Kann sein. Aber so lange die nicht in Sicht ist, müssen wir das Erreichte erhalten. Mit allen Mitteln.
Ein wirklich erhebendes Schlusswort. Warum haben sie sich nicht um das Amt des Bundespräsidenten beworben?
Auch da hat mich keiner gefragt.
Danke für das Gespräch.